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Der Kaukasuskrieg 2008 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Der Kaukasuskrieg 2008

Redaktion

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Der Kaukasuskrieg im August 2008 wurde auf dem Staatsgebiet von Georgien ausgetragen. Nur fünf Tage dauerte der Krieg zwischen Russland und Georgien. Doch bis heute ist der Konflikt ungelöst.

Am 12. August 2008 endete der fünftägige Kaukasuskrieg. Die Aufnahme zeigt die Zerstörung in der georgischen Stadt Gori am 21. August 2008. (© picture-alliance/dpa, Pavel_Wolberg)

Der Kaukasuskrieg war sowohl ein innerstaatlicher Konflikt in Interner Link: Georgien als auch ein zwischenstaatlicher Konflikt zwischen dem Land und Russland. Die Kämpfe begannen in der Nacht auf den 8. August 2008, als der damalige georgische Staatspräsident Interner Link: Micheil Saakaschwili den Befehl für eine militärische Operation in der abtrünnigen Region Südossetien gab. Die Kämpfe endeten am 12. August 2008 mit Abschluss eines EU-vermittelten Sechs-Punkte-Plans zur Entschärfung des militärischen Konflikts in Georgien. Etwa 850 Menschen kamen bei den Auseinandersetzungen ums Leben und mehr als 190.000 Menschen waren nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes (UNHCR) infolge des Krieges vorübergehend auf der Flucht. Zum Teil leben sie bis heute als Binnenvertriebene.

Der Konflikt

Dem Krieg vorausgegangen waren gegenseitige Provokationen zwischen Georgien und Russland. Im Fokus standen die Regionen Südossetien und Abchasien. Wegen des Status der beiden Regionen war es schon in den Jahren vor der Gründung der Sowjetunion zu teils blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Mit der Unabhängigkeitserklärung Georgiens 1918 wurde Südossetien Teil der eigenständigen Demokratischen Republik Georgien und gehörte auch ab 1921 zu der Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR). Abchasien hatte nach Gründung der Sowjetunion zunächst den Status einer eigenständigen Sozialistischen Sowjetrepublik, wurde aber 1931 in die Georgische SSR eingegliedert.

Kriegerische Auseinandersetzungen nach dem Zerfall der UdSSR

Interner Link: Als die Sowjetunion (UdSSR) 1991 zerfiel, erklärte sich Georgien in den Grenzen der früheren SSR für unabhängig – inklusive der beiden autonomen Republiken Abchasien und Südossetien. Doch die beiden Republiken strebten zur gleichen Zeit selbst nach Unabhängigkeit. Mehrfach eskalierte der Konflikt in bewaffneten Auseinandersetzungen. Im Georgisch-Abchasischen Krieg Anfang der 1990er-Jahre starben mehr als 10.000 Menschen. Bereits damals wurden Osseten und Abchasen von Russland unterstützt. Nach dem Waffenstillstand 1994 wurden russische Friedenstruppen mit Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in beiden Regionen stationiert. Dies geschah mit georgischer Zustimmung.

Der Kaukasuskrieg

Im Jahr 2008 kam es erneut zu Unruhen in den beiden Regionen, die schließlich im fünftägigen Kaukasuskrieg mündeten. Es gibt unterschiedliche Darstellungen, wie es zu dem Interner Link: Krieg im August kam. Georgien befürchtete, dass die abtrünnigen Gebiete sich loslösen könnten und erhoffte sich bei der militärischen Operation die Unterstützung der USA und des Westens. Die georgische Seite beharrte darauf, dass das Vorrücken von georgischen Truppen auf das Territorium der beiden autonomen Regionen Notwehr vor einem bereits laufenden Angriff Russlands gewesen sei. Eine EU-Untersuchungskommission kam 2009 in einem Bericht zu dem Schluss, dass es keine Hinweise auf ein russisches Vorrücken gegeben hatte. Allerdings konstatiert der Bericht zugleich, dass Russland den Konflikt bereits seit Jahren angefacht habe, mit dem Ziel, seine Einflusszone nach Süden auszudehnen. Dies sei unter anderem durch die Ausgabe von russischen Reisepässen geschehen.

Die Interner Link: Annäherung Georgiens an den Westen, etwa durch die Interessensbekundung an einer NATO-Mitgliedschaft, wird außerdem von Expertinnen und Experten als Grund für Russlands Eingreifen im Kaukasuskrieg genannt. Der russische Präsident Dmitrij Medwedew machte die Annäherung ehemaliger Sowjetrepubliken wie Georgien an den Westen für die Eskalation verantwortlich.

Russland greift militärisch ein

Nach Beginn der georgischen Angriffe kündigte Russland Vergeltung an und antwortete mit einer Militäroffensive zur Verteidigung Südossetiens – mit der Begründung, seine Staatsbürgerinnen und -bürger in der georgischen Provinz schützen zu wollen. Der Konflikt griff auch auf die georgische Provinz Abchasien über, die ebenfalls nach staatlicher Unabhängigkeit strebte. Russische Truppen operierten auch außerhalb der beiden autonomen Regionen. So wurde beispielsweise die georgische Stadt Gori bombardiert.

Insgesamt dauerte der Krieg im Südkaukasus fünf Tage. Er endete am 12. August 2008 mit Verhandlungen zwischen Georgien und Russland. Der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy, dessen Land die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, sowie der damalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Javier Solana führten die Verhandlungen mit den Konfliktparteien. Sie einigten sich auf einen Sechs-Punkte-Plan zur Beilegung des Konfliktes.

Sechs-Punkte-Plan

Am 12. August 2008 endete der Kaukasuskrieg mit Abschluss eines EU-vermitteltenExterner Link: Sechs-Punkte-Plans zur Entschärfung des militärischen Konfliktes in Georgien. Die sechs Punkte waren:

  1. Keine Gewaltanwendung zwischen den Protagonisten.

  2. Definitive Einstellung der Feindseligkeiten.

  3. Freier Zugang zu humanitärer Hilfe.

  4. Rückzug der georgischen Streitkräfte auf ihre üblichen Stationierungsorte.

  5. Rückzug der russischen Streitkräfte auf die Linien vor Beginn der Feindseligkeiten; russischen Friedenstruppen dürfen vorläufig – bis ein internationaler Mechanismus etabliert wurde – zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen.

  6. Eröffnung internationaler Diskussionen über die Modalitäten der Sicherheit und Stabilität in Abchasien und Südossetien.

Die Konfliktparteien nach dem Krieg

Nach Abschluss des Waffenstillstandsabkommens 2008 erkannte Russland trotz internationalen Protests Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten an – obwohl die beiden Regionen bis heute völkerrechtlich zu Georgien gehören. International gibt es nur wenige Länder, die Russlands Beispiel folgten wie etwa Nicaragua, Venezuela und Syrien. Weltweit betrachten die weitaus meisten Staaten Abchasien und Südossetien als Teil des georgischen Staatsgebietes.

Georgien verlor mit dem Krieg weitere Kontrolle über die abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien. Die beiden Gebiete firmieren seit Ende des Kaukasuskrieges als Interner Link: von Russland gestützte De-facto-Staaten. Sie unterhalten einen eigenen Verwaltungs- und Regierungsapparat. Es finden auch Wahlen statt, die aber international nicht anerkannt werden. Die Menschen leben in einem dauerhaft ungelösten Konflikt. Russland hat reguläre Truppen in beiden Regionen stationiert, die sich nach internationalem Recht auf dem Gebiet des georgischen Staates befinden. Moskau hat als Ergebnis des Krieges seinen faktischen Einflussbereich auf Teile Georgiens ausgedehnt. 2014 und 2015 unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin mit Abchasien und Südossetien weitreichende Bündnisverträge, um die Regionen enger an Russland zu binden.

Der frühere Präsident Südossetiens Anatoli Bibilow strebte 2022 ein Referendum über einen Anschluss seiner Region an Russland an. Wenige Wochen später verlor Bibilow die Präsidentschaftswahl gegen seinen Herausforderer Alan Gaglojew. Der sagte das geplante Referendum ab.

Russisch-georgische Beziehungen bleiben angespannt

Der Konflikt um Südossetien und Abchasien belastet die Interner Link: Beziehungen von Russland und Georgien bis heute: Infolge des Krieges brachen die beiden Staaten ihre diplomatischen Beziehungen ab. Die Handelsbeziehungen zwischen Russland und Georgien wurde 2012 schrittweise wieder aufgenommen. Jüngst hat der russische Präsident Wladimir Putin ein Diskret unterzeichnet, das georgischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern Visafreiheit gewährt und den zivilen Flugverkehr zwischen den beiden Ländern seit 2019 erstmals wieder aufnimmt.

Am 3. März 2022 stellte Georgien den Antrag auf Mitgliedschaft in der EU. Bis zum EU-Kandidatenstatus müssen allerdings weitere Reformen in Georgien erfolgen, so die EU-Kommission. Am Interner Link: NATO-Gipfel in Vilnius im Juli 2023 nahm der georgische Außenminister als Gast teil. Auch die NATO fordert von Georgien als Beitrittsbedingung weitere (demokratische) Reformen.

Internationale Reaktionen nach dem Krieg

Im September 2008 beschloss die EU den Einsatz einer Externer Link: Überwachungsmission (EUMM), die ihre Tätigkeit einen Monat später aufnahm. Ziel war es, die Einhaltung des Sechs-Punkte-Plans zu kontrollieren. Die Mission hält bis heute an. Auf dem EU-Kaukasus-Sondergipfel im September 2008 verzichteten die Staaten der Europäischen Union auf Sanktionen gegen Russland. Allerdings verurteilten die EU-Staats- und Regierungschefs das militärische Eingreifen Russlands in den Kaukasuskrieg. Der Europäische Interner Link: Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilte Russland 2023 zur Zahlung von 130 Millionen Euro an Georgien. Der EGMR urteilte, dass Russland nach den Kämpfen im August 2008 Folter und Plünderungen zugelassen habe. In dieser Zeit wären russische Behörden für die Einhaltung der Menschenrechte in den Regionen Abchasien und Südossetien verantwortlich gewesen. Der Interner Link: Internationale Strafgerichtshof (IStGH) beantragte im März 2022 Haftbefehle gegen drei hohe Funktionäre Südossetiens wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen, etwa der Geiselnahme und illegalen Vertreibungen georgischer Bürgerinnen und Bürger. Die Ermittlungen sind 2016 eingeleitet worden.

Hinweis der Redaktion: Dieser Text wurde am 11.08.2023 als Reaktion auf eine Lesermail um zwei Sätze ergänzt: "Nach dem Waffenstillstand 1994 wurden russische Friedenstruppen mit Mandat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in beiden Regionen stationiert. Dies geschah mit georgischer Zustimmung."

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