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Editorial | bpb.de

Editorial

Martin Schiller

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Die kollektive Sicherheit ihrer Mitglieder gewährleisten, der Sowjetunion und ihren Verbündeten eine Allianz freiheitlicher Demokratien gegenüberstellen und auf militärische Abschreckung setzen – mit diesem Selbstverständnis wurde die North Atlantic Treaty Organization, der Nordatlantikpakt, am 4. April 1949 in Washington, D.C. gegründet. Mitglieder der ersten Stunde waren die USA, Kanada und zehn westeuropäische Staaten. Inmitten der Blockrivalität des Kalten Kriegs galt die Nato als Garant für militärische Stärke und Organ politisch-strategischer Vorausschau des Westens. Zugleich bewegt sie sich seit ihrer Gründung in einem Spannungsverhältnis: Sie verfügt einerseits über eine ausgeprägte Fähigkeit zur Integration sehr unterschiedlicher Mitgliedstaaten. Andererseits ringt sie mit der Aufgabe, divergierende Interessenlagen und Erwartungen innerhalb dieser Gemeinschaft produktiv auf einen Nenner zu bringen.

Mit der Auflösung des Warschauer Pakts und dem Ende der UdSSR 1991 fand sich die Nato in einer Identitätssuche wieder. Kontroversen über ihren Auftrag, ihre Erweiterung und militärische Lastenteilung sollten fortan zum sicherheitspolitischen Grundrauschen gehören. Dennoch schaffte man Fakten: Nach den Terroranschlägen auf die USA am 11. September 2001 rief die Nato erstmalig in ihrer Geschichte den Bündnisfall aus. Durch Einsätze auf dem Balkan, in Afghanistan und auf dem afrikanischen Kontinent etablierte sie sich als globaler Sicherheitsakteur. Schließlich gewann sie an Größe: Das Bündnis umfasst derzeit 31 Mitgliedstaaten, viele von ihnen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa.

Wo steht die Allianz heute, vor ihrem 75. Gründungsjubiläum? Sie muss in einem krisenhaften Umfeld ihre Rolle neu definieren. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine bleibt Solidarität mit Kyjiw weiterhin geboten. Auch die innenpolitischen Entwicklungen in den USA werden entscheidend dafür sein, ob die Nato als multilaterales Bündnis zukunftsfähig bleibt.